Sowohl in der Beschreibung des Oberamts Rottenburg von 1900 als auch in der amtlichen Kreisbeschreibung des Landkreises Tübingen von 1972 wird darauf hingewiesen, daß sich an der 1965 abgebrannten Spitalscheuer über den Torbogen Wappen mit der Zahl 1732 und eigenartige Fratzen befanden. Die drei Steine mit ihren im wahrsten Sinne des Wortes merkwürdigen Fratzen sind erhalten, sie waren die Schlußsteine, die "Könige", in den Torbögen der Spitalscheuer. Einer vonihnen ist jetzt am Haus gegenüber eingemauert. Erstmals wird der Fronhof in Seebronn im 14. Jh. erwähnt. 1498 besaßen das Karmeliterkloster Rottenburg und das Kloster Kirchberg in etwa jeweils die Hälfte dieses Fronhofes.Schon im 15. Jh. befanden sich die Hofpächter häufig in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, was vermutlich dann 1526 zum Verkauf des ganzen Hofes an das Rottenburger Spital führte, das dabei auch die Zinsrückstände der früheren Pächter mitübernehmen mußte. Von da an wird dieser Hof Spitalhof genannt. 1778/1779 erwirbt die Gemeinde den Spitalhof und veräußert ihn 1873 an53 Bauern weiter.Ob die in den Wappen über den Torbogen angegebene Zahl 1732 mit dem Bau oder einer Renovierung zusammenhängt, oder ob diese Wappen auf dem Gebäude nachträglich als Herrschaftszeichen angebracht wurden, istderzeit nicht bekannt. Eindeutig erscheint jedoch, daß auf demjenigen dieser drei Steine, der als Vorlage für die Maske des Spittelbajas diente, ein "Grüner Mann" dargestellt ist. William Anderson hat sich in "Der grüne Mann- Ein Archetyp der Erdverbundenheit" (Solo-thurn, Düsseldorf: Walter, 1993) eingehend mit diesem kunsthistorischen Phänomen beschäftigt. Schon in der Antike, in der Romanik und Frühgotik tauchen diese Blattmasken auf und verschwinden alsbald wieder. Seinen Triumph, so Anderson, feierte der "Grüne Mann" aber in der Gotik."Wenn wir seine neuere Form, den Vegetation speienden menschlichen Kopf betrachten, dann stellt sich die Frage, warum er einen Akt gegen die Natur ausführt. Was ist die Quelle dieser Vegetation, die ihm entströmt? Eine Interpretation lautet, daß er mit zwei anderen Figuren verwandt ist, die uns aus Bildhauerarbeiten dieser Zeit vertraut sind; es sind dies der grinsende Riese, der seinen Mund mit den Fingern aufreißt, und die Gestalt mit herausgestreckter Zunge. Es heißt, daß sie die drei Stadien des Äußerns des Wortes (Gottes) darstellen: zuerst das Öffnen des Mundes, dann das Zeigen der Zunge und zuletzt die Verwandlung der Zunge in das Laub des Logos." Der "Grüne Mann" steht für das Naturgesetz, dafür, daß das essentiell Gute des Naturgesetzes seit Anbeginn der Schöpfung existierte, für die Zeit in ihrem immerwährenden Kreislauf, für die unüberwindliche Kraft der Natur. Die Stirnpartie dieser Fratze stellt dann auch nicht, wie schon verschiedentlich vermutet, eine Jakobsmuschel dar (die gewöhnlich nach außen gewölbt dargestellt wird), sondern Laubwerk, das auf dem Stein auch rings um das Gesicht angedeutet, ganz deutlich aber links und rechts der Mundpartie und darunter zu erkennen ist. In diesem Kontext sind die Farben für das Häs des Spittelbajas gut gewählt, das Braun der Hose steht für die Erde und das Grün des Kittels für das Wachstum, die Vegetation. Altes Handwerk lebt beim Herstellen der Larvenhaube wieder auf: auf das Maskentuch sind zweifarbig gesponnene und gezwirbelte Wollfäden aufgenäht, auch die zweifarbigen Pompons (Wolle-Böbbel) werden daran befestigt. Die Häsbemalung, in der sich Elemente der Maske in stilisierter Form wiederfinden, hat jeder Hästräger selbst zu besorgen. Das Seebronner Rathaus und der Kirchturm sind auf der Rückseite des Kittels aufgemalt, der mit einer weißen Halskrause gegen die Maske abge-schlossen wird. Gschell, weiße Handschuhe und schwarze Halbschuhe vervollständigen die in der Maskenordnung vorgegebene Ausrüstung. In der Hand führt der Spittelbajas einen Narrenstab mit, an dessen einem Ende ein Kuhschwanz zum Necken der Zuschauer angebracht ist, am anderen Ende ist eine Narrenschelle befestigt. Wie durch eine Narrenfigur die Erinnerung an ein abgegangenes Gebäude und darüber hinaus auch an die örtliche Geschichte wachgehalten werden kann, dafür gibt die Hauptfigur der Seebronner Fasnet, der Spittelbajas, ein gutes Beispiel.